Der eine erfährt es als stechenden Schmerz, der andere als ständig wiederkehrende Steifheit und Verspannung. Leute über 40 Jahre schreiben diese Erscheinungen vielleicht ihrem Alter zu oder nehmen ihre Haltung als wenig vorteilhaft wahr. Eines verbindet diese Symptome: der Körper ist aus dem Lot geraten; er ist in einem Konflikt mit der Schwerkraft. Diese Kraft "würde ihn langsam zu Boden zwingen", wenn der Körper keine geeigneten kompensierenden Maßnahmen ergreifen würde. Muskeln und Fascien verkürzen sich einerseits und werden andererseits überdehnt. Der Körper entfernt sich mehr und mehr von seiner Mitte.

Durch eine ausgewogene Veränderung der Struktur kann die Funktionsweise des Körpers verbessert werden und es kommt zu einer Steigerung der Vitalität, des Wohlbefindens und des Mit-sich-eins-Seins. Rolfing setzt sich auf eine sehr viel grundlegendere Art mit Strukturen auseinander als viele andere Schulen. Grundlegender, weil wir uns darüber klar sind, daß Strukturen durch die Beziehung des Körpers zum Gravitationsfeld der Erde bestimmt sind. Die Schwerkraft wirkt immmer auf unsere Körper ein, 24 Stunden täglich, ununterbrochen, ein Leben lang. Fehl- und Schonhaltungen führen dazu, daß der Körper mehr Energie aufwenden muß, um sein Gleichgewicht zu halten, was unweigerlich eng umschriebene Bereiche überlastet und Bandscheibenschäden sowie Arthrosen zur Folge hat.

Ida Rolf (Bild unten) hat es einmal so ausgedrückt: "Die Schwerkraft ist das einzige Werkzeug, das auf chronisch strukturelle Probleme einzuwirken vermag."

Rolfing oder "strukturelle Integration" wie sie von Dr. Ida P. Rolf genannt wurde, die diese manuelle Behandlungsform in den 50er Jahren entwickelte, befaßt sich wie gesagt vor allem mit der Beziehung des Körpers zum Schwerkraftfeld der Erde.

Die Grundsequenz einer Rolfingbehandlung umfasst zehn Sitzungen. Rolfing integriert, es repariert nicht. Das heißt, Rolfing will nicht nur Symptome lindern, es will den Körper unter Einbeziehung von Bewegung zu einem effizienten System zusammenfügen.

Als Rolfer habe ich ein breites Spektrum von Techniken zur Verfügung, um Spannungsmuster aufzulösen. Das Bindegewebe oder das Fasciennetz verbindet und formt den Organismus in sehr individuellen Beziehungen der einzelnen Körperteile zueinander. Ich arbeite über das Fasciennetz an der menschlichen Struktur, um die Beziehung der Teile zueinander zu verbessern. Hier spielt auch der Säure-Basen-Haushalt eine große Rolle, der die Qualität der Gewebe massiv beeinflußt.

Alle Sitzungen stehen unter einem besonderem Thema, unter dem man den Körper betrachtet, und bauen aufeinander auf. Sie sind auf das große Ziel ausgerichtet, den Menschen in eine bessere aufrechtere Position zu bringen. Ich möchte dies kurz am Beispiel der ersten Sitzung erläutern: Hier wird besonderes Augenmerk auf das Atemmuster sowie auf die Beweglichkeit des Brustkorbes selbst sowie auf seine Beziehung zum Becken gelegt. Handelt es sich um einen Bauch- oder Brustatmer? Ist die Rippenbewegung frei oder fixiert? Hat der Brustkorb die Möglichkeit, sich bis zu einem gewissen Grad unabhängig vom Becken zu bewegen? Wenn sich die Wirbelkörper nur unzureichend gegeneinander bewegen können, bauen die die Wirbelsäule umgebende Muskel- und Fascienschichten einen regelrechten Panzer auf. Eine Folge davon ist die Kompression der Bandscheiben, ein degenerativer Prozess wird in Gang gesetzt. Auch das Gewebe um das Hüftgelenk spielt in dieser Sitzung eine große Rolle.

Rolfing stellt durch gezielte Behandlung der verkürzten und verklebten Bindegewebsstrukturen (Fascien) das lotgerechte Gleichgewicht wieder her, um so den Verspannungen die Grundlage zu entziehen (vgl. Abb. oben - Vorher/Nachher).

Rolfer gehen davon aus, daß ein Mensch sich nur dann in seiner räumlichen Umgebung auf der Erde wohlfühlen kann, wenn die Schwerkraft positiv auf ihn einwirken kann. Wir können natürlich die Schwerkraft nicht verändern; wir können jedoch den Körper dahingehend beinflussen, dass die Körpersegmente (Kopf-Schultern-Brustkorb-Becken) sich wieder im Lot befinden. Dadurch erfährt der Körper einen höheren Grad an Bewegungsfreiheit, was die Struktur günstig beeinflusst.


Bei der Frau auf obiger Abbildung befindet sich zwar der Kopf über den Schultern, aber der gesamte Oberkörper lastet auf dem Übergang der Lendenwirbelsäule in das Becken. Schmerzen in diesem Bereich ausgelöst durch längeres Stehen können die Folge sein.

Werfen wir einen Blick auf das Profil des Mannes, so erkennen wir unschwer den Sinn einer Ver-Spannung der Schulter-/Nackenmuskulatur, da sich der Kopf vor den Schultern befindet und nicht ausreichend von der Wirbelsäule gestützt werden kann.

Die junge Frau auf der Abbildung befindet sich in einem ausgewogenen Gleichgewichtszustand. Vorderseite und Rücken sind annähernd gleich lang, das Becken hat Bewegungsfreiheit in allen Ebenen. Der Körper hat mit den Füßen eine feste Basis; Knie, Hüftgelenk, Brustkorb, Schultergelenk sowie der Kopf befinden sich auf einer lotrechten Linie übereinander, so dass der Körper durch das Skelett optimal unterstützt werden kann. Dadurch erfährt der Körper einen regelrechten Auftrieb, eine mühelose Aufrichtung und Bewegung werden dann möglich.